Von Prag bis Magdeburg

  • 19. September 2015

Wanderfahrtenunterkunftsauskünfte und andere Zahlen
Die Moldau ab Prag, in Melnik in die Elbe und dann bis Magdeburg. 11 Tage. Tagesdurchschnitt: 44,18 Kilometer. Mehr war im Zweier nicht drin. Wegen der Hitze, der zwölf Schleusen und der Tatsache, dass wir nicht nur rudern wollten. Und konnten. Immerhin, wir haben uns und dem Verein zweimal 486 Kilometer für die Wanderruderstatistik gebracht. 972 Kilometer.
Eine ganz andere Statistik hat sich per Zufall ergeben, wir sind nicht besonders stolz darauf: Wir haben von 11 Wanderruderer-Nächten keine einzige in einem Hotel verbracht. Sondern acht in oder (im Zelt) neben Bootshäusern, zwei außerhalb von Vereinsgeländen zeltend und eine privat (bei Muttern). 11 Übernachtungen für summa summarum 150 Euro, macht 6,81 pro Nacht und Nase. Mal mit, mal ohne Frühstück, mal mit, meistens ohne Bettwäsche. Nur einmal ohne Dusche. Warum das im Einzelnen erzählt werden soll? Wer die Antwort gleich wissen will, kann den folgenden Absatz überspringen.
Vor unserem Start in Prag hatten wir eine Mail an einen Klub auf der Rudererinsel (Veslarsky Ostrov) geschickt. Es war zufällig der CVK Praha, Heimat der Creme der tschechischen Ruderer. Leute also, die mit Wanderruderern kurz vor dem Rentenalter rein gar nichts am Hut haben. Die nicht ein einziges Nicht-Rennboot auf ihren Stellagen haben. Trotzdem hat ein freundlicher Sportsfreund, Vaclav Zoul, auf Deutsch geantwortet und alles arrangiert. Ein Hausmeister mit Hund erwartete uns. Wir schliefen zwischen langen Reihen von Ergometern im Raum neben dem Ruderkasten, es war vielleicht der einzige kühle Fleck in der ganzen Stadt. Am nächsten Morgen gab uns ein Handwerker heißes Wasser für den Pulverkaffee. Das war`s. Kein Mensch wollte für irgendwas Geld. Ehrenwort, wir haben es ernsthaft versucht.

Dasselbe zwei Tage später in Roudnice. Wir zogen das Boot am Veslarsky Klub aus der Elbe. Das Sagen habe hier Herr Smichy, dolmetschte ein alter Mann seine Tochter. Herr Smichy kam, es war aber der Sohn – in Begleitung seiner beiden (nackten, es war sauheiß) Kleinkinder. Der Sohn rief den Vater irgendwo in der Pampa an, der holte den Onkel zur Übersetzung ans Telefon, der teilte uns mit: alles klar. Nach 10 Minuten waren wir Herren über ein Bootshaus samt Gelände…. Den Schlüssel haben wir dann in eine Mauerlücke gelegt. No money, please!!
Das Bootshaus in Roudnice ist ein prächtiger Bau, innen zeigten sich Spuren deutlichen Verfalls. Das Bootshaus in Decin, lasen wir im Internet, sei reiner Jugendstil. Unterm Dach solle es gemütliche Zimmer geben. Daneben stand die Telefonnummer: Frau Slavikova. Die sagte, auf Deutsch, das Bootshaus werde gerade umgebaut, sie arbeite da nicht mehr. Aber sie werde sich was einfallen lassen. Vor Ort stellte sich heraus, dass Frau und Herr Slavik gerade ein sehr altes Haus neben dem Ruderverein gekauft haben, das sie zur Pension umrüsten wollen. Noch war es leer. Daneben hockte der Kioskwagen von Frau S., am Rande einer eingezäunten Wiese. Hier könnten wir zelten. Wir schielten auf das Hotel, einen Steinwurf entfernt. Ein richtiges Bett! Frau S. konnte Gedanken lesen. Sie rief ihrem Mann etwas zu und bat uns, eine Stunde spazieren zu gehen. Oder an ihrem Kiosk ein Bier zu trinken… Nach einer Stunde hatte Herr S. in ein völlig leeres Zimmer ein Bett gestellt, fast könnte man behaupten: er hatte es schnell selbst gezimmert. Wir seien ihre ersten Gäste, lächelte Frau S., und servierte uns am nächsten Morgen ein Eier-Schinken-Frühstück vom feinsten. (Preis auf Anfrage.)
Nach der deutschen Grenze erwies sich die Wanderruderer-Unterkunfts-Kultur als kalkuliert-organisiert, mit Preis und Meldeliste.

Pirna

– Kraftraum wie in Prag. Nur mehr Hanteln und härtere Matten. Die Zimmer im Bootshaus waren schon vermietet – an Radwanderer. Auf der Bootshausterrasse ein öffentliches Restaurant, leider kein Frühstück. Aber die Stadt hat jede Menge Kaffee to go. (Pirna- eine Überraschung! Die Schönheit von Prag oder Dresden muss man nicht betonen, oder? Aber Pirna!)

Radebeul

Alle anwesenden Ruderfreunde beteiligten sich an der Suche nach dem Mann, der den Schlüssel für die Zimmer hat. Bevor der ankam, war das Boot aufgebockt, wir waren geduscht und geschniegelt und mit Ratschlägen für den Abend (unbedingt: der Kötzschenbrodaer Markt!) und den Morgen ausgestattet. Es gab ein Zimmer mit bezogenen Betten, Dusche, Küche…

Torgau

Unser Ruf nach den Torgauer Bootshausunterkünften verrauschte im AB-Nirvana. Tote Hose bei den Sportsfreunden. Nicht so im Verein daneben. Die Kanuten hatten Zimmer, `ne Dusche, ne Küche. Und nichts gegen Ruderer. (Worin unterscheiden sich Paddler von Ruderern? Die einen sagen: Oh, da ist ein prima Biergarten. Und die anderen:.… gewesen).

Wittenberg

Sonntagabend, der Hüter des Vereinshauses war trotzdem da. Wir könnten mal wieder zelten, aber hinter dem Verein läuft eine ziemlich laute Straße… ein bisschen verwöhnt sind wir auch schon. Diesmal hatte das Zimmer fünf Betten zum Aussuchen. Wir kriegten frischgemangelte Bettwäsche, wegen der Hygiene, sagte der Hausmeister, und am nächsten Morgen ein Frühstück aus der Hand seiner Frau.
(Falls das im katholischen Rheinland jemand interessiert: Wittenberg und Torgau sind großartige Städte der Reformation, deren 500. Jubiläum schon mal diverse Ausstellungen und Renovierungen veranlasste.)

Aken

Hält (nach Frau Slavikova und vielleicht sogar noch vor Herrn Zoul aus Prag) den Gastfreundlichkeitsrekord. 1: Auf dem Bootssteg stand Roland, dem wir uns abends zuvor (es war, wie gesagt, Sonntag) angekündigt hatten, und hielt nach uns Ausschau. 2. Rolands Frau hatte Bier kalt gestellt und wusste genau, welche Kneipe in dem Örtchen noch geöffnet war. 3. Die Akener Unterkunft war buchstäblich die größte: 10 Doppelstockbetten für uns allein…
Am nächsten Tag erreichten wir Magdeburg, legten den „U.L. Hein“ beim dortigen Leistungszentrum an Land und bestellten ein Taxi zum Bahnhof.
So, jetzt zur Frage nach dem Sinn dieser Unterkunftsberichterstattung: Weil wir, wo immer wir anlandeten, diejenigen aus dem Verein mit den meisten Wanderkilometern waren. Aus dem Anwärterverein auf den Verbleib des Wanderruderpokals…
Weil wir uns angesichts dessen gefragt haben, wie unsere Gäste eigentlich betreut werden. Okay, wir haben keine Zimmer, wir haben eben nicht, wie die Vereine im Osten, das Glück, von den Kommunen nennenswert unterstützt zu werden (aus historischen Gründen und mangels genug zahlungskräftiger Mitglieder.) Wir haben unseren Gymnastikraum für müde Wanderruderer von außerhalb. Immerhin. Aber sonst? Bieten wir ihnen einen Kühlschrank? Ein paar Tassen und Teller? Wenigstens einen Wasserkocher? Ein Stück Papier mit ein paar Informationen darüber, wo man wann was essen kann? Das für Wanderruderer zuständige BRV-Vorstandsmitglied ist der Hauswart, also Andreas Hochscherff. Bei ihm können sich interessierte Sportfreunde anmelden und bekommen für 5 Euro pro Nase einen Schlafplatz im Gymnastikraum zugewiesen. Aber – angenommen, man wird, einfaches Mitglied, spontan gefragt: Können wir bei Euch schlafen? Wir würden sagen: Ja, klar. Oder etwa nicht?!

Wer die Rudertour von Prag nach Magdeburg ebenfalls gerne rudern möchte, kann sich hier die Tourenbeschreibung downloaden: Von Prag bis Magdeburg

Wasserwanderer finden hier die notwendigen Informationen zu Übernachtungen in unserem Bootshaus…